Oratorienchor lud zum Träumen ein

Beim Auftritt in der Schwandorfer Spitalkirche konnten die Zuhörer vom Alltagsstress abschalten


Von Josef Schaller Mittelbayerische Zeitung 25. Oktober 2022


Schwandorf. Draußen war es schon dunkel, als am Samstagabend in der Schwandorfer Spitalkirche die „Abendfeier in Venedig“ (Clara Schumann) erklang.
Der Oratorienchor unter der Leitung von Wolfgang Kraus hatte zu einem Herbstkonzert geladen mit dem Titel „Der Mond ist aufgegangen – Chormusik der Romantik“.
„Erd und Himmel scheinen sich bei diesem Laut liebend zu vereinen“, heißt eine Textzeile des Werkes. Diesen Satz konnte man durchaus auch symbolisch auf die Darbietung des Chores übertragen, deren Klangschönheit und Klangreinheit durch die beeindruckende Akustik des kleinen Kirchenbauwerks zusätzlich verstärkt und hervorgehoben wurde.
Die durch den Alltag und das Weltgeschehen gestresste Seele bekam 90 Minuten lang die Möglichkeit, zur Ruhe zu finden. Nicht nur der zauberhafte musikalische Genuss lud an diesem Abend zum Träumen ein, auch die wunderschönen Liedtexte übertrafen sich gegenseitig mit romantischen Inhalten. Unter anderem bei Fanny Hensels Werk „Im Wald“. Wo Bäume und Blätter dem Singenden zuhören, wo Schall und Hall wandeln durch Wipfel und Büschen, da schmettert auch die Nachtigall dazwischen. Da geht einem als Zuhörer das Herz auf und man möchte das Grün des Waldes gleich selbst erleben. Kein Wunder, wenn Joseph von Eichendorff, der zum Werk „Abschied vom Walde“ (Felix Mendelssohn-Bartholdy) den Text verfasst hatte, den Wald bittet, beim Abschied noch einmal sein grünes Zelt über ihn auszubreiten, bevor es wieder hinausgeht in die geschäftige Welt. Zwischendurch fand Claudia Gerstmann, die bereits zum dritten Mal die Darbietungen des Schwandorfer Oratorienchors mit Klavierstücken untermalte und begleitete, mit den Werken Impromptu op.90 Nr.2 und Nr.4 (Franz Schubert) die passenden Klänge zu den Träumereien.
Nach der Pause durften die 100 Zuhörer in der restlos ausverkauften Spitalkirche weiterträumen, als Clara Schumann zu einer romantischen Gondelfahrt übers Meer einlud („Gonoliera“). Es folgten die Ballade „König von Thule“ und das Werk „John Anderson“ – beide komponiert von Robert Schumann, bevor Franz Schubert einen Liebesgruß „An die Sonne“ richtete. Claudia Gerstmann stellte mit der Rhapsodie g-Moll op.79 Nr. 2 von Johannes Brahms einen gelungenen Spannungsbogen zu den vorher gehörten Balladen her. Mit dem „Abendlied“ von Johann Abraham Peter Schulz verabschiedete sich der Oratorienchor unter kräftigem Beifall von seinem Publikum und ließ den Mond aufgehen.
Chorleiter Wolfgang Kraus äußerte sich nach dem Konzert zu der Programmzusammenstellung folgendermaßen:
„Wichtig war mir, Clara Schumann und Fanny Hensel zur Geltung zu bringen. Es sollte ein Kontrast zu dem sein, was in der Regel zu hören ist.“ Die beiden Komponistinnen seien zu Unrecht weniger bekannt, so der Chorleiter. Bei der Unterteilung des Programms habe Kraus darauf geachtet, dass die Tonartfolgen aufeinander abgestimmt waren, damit es nicht zu große Kontraste gebe.
Eigentlich hätte dieses Konzert bereits vor zwei Jahren als Jubiläumsaufführung „Zwanzig Jahre Konrad Max Kunz Fördervereinigung und zwanzig Jahre Oratorienchor Schwandorf“ stattfinden sollen, wie der Vorsitzende und
Chormitglied Ian Owen bei seiner Begrüßungsrede erwähnte. Doch dann sei Corona dazwischengekommen und es musste verschoben werden.